Unternehmen zweifeln Praxistauglichkeit der Bachelor-Abschlüsse an

Über 60 Prozent der regionalen Unternehmen beschäftigen bereits in Hochschulen ausgebildete Bachelor-Absolventen. Zwei Drittel davon stellen jedoch lieber Fachkräfte mit qualifiziertem Berufsabschluss ein, könnten sie zwischen beiden Alternativen wählen. Die Bachelor-Abschlüsse schätzt jedes zweite Unternehmen als nur teilweise berufsqualifizierend ein. Dies sind die zentralen Ergebnisse einer Blitzumfrage der Industrie- und Handelskammer Siegen (IHK) bei 85 heimischen Personalchefs, die für Unternehmen sprechen, die insgesamt über 17.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigen. IHK-Hauptgeschäftsführer Franz J. Mockenhaupt: „Zwar ist die Grundgesamtheit unserer Befragung nicht repräsentativ, dennoch stimmen einen die Ergebnisse mehr als bedenklich. Der Bachelor kommt zwar in der Wirtschaft langsam aber sicher an, aber beileibe nicht jedes Unternehmen ist mit der praktischen Einsatzfähigkeit der Absolventen zufrieden.“

Auch im Vergleich zu früheren Abschlussarten, wie etwa dem Diplom, werden die Bachelor-Absolventen als weniger einsatzfähig eingeschätzt. Die befragten Personalchefs kritisierten zudem, dass den Bachelor-Absolventen vielfach die Kompetenz zum Transfer des theoretisch erworbenen Wissens in praktische Handlungen fehle. Daneben zogen auch etliche Personalverantwortliche das testierte Fachwissen der Absolventen in Zweifel. Insgesamt sei die Praxisorientierung im Studium vielfach nicht hinreichend gewährleistet. Gefragt nach der Eignung der Hochschulabsolventen insgesamt bekamen die Bachelor-Absolventen die Durchschnittsnote 2,8. Sowohl der Master (Durchschnitt: 2,2) als auch das Diplom (Durchschnitt: 1,9) schnitten deutlich besser ab.

Aus Sicht der regionalen Wirtschaft belegt die Umfrage, dass das mit der Bologna-Reform verbundene Ziel, den Bachelor als berufsqualifizierenden Abschluss zu etablieren, zumindest derzeit noch nicht vollständig erreicht worden ist. Es sei zwar nicht zulässig, aus dieser Blitzumfrage endgültige Schlüsse abzuleiten. Die Umfrage deute jedoch an, dass es mit immer mehr wissenschaftlich erworbenen Abschlüssen allein nicht getan sei, stellt IHK-Geschäftsführer Klaus Gräbener fest: „Immer mehr junge Menschen studieren. Die Masse an Arbeitsplätzen erfordert jedoch auch in Zukunft nicht zwingend akademische Abschlüsse. Daher setzen die meisten Unternehmen nach wie vor auf die betriebliche Ausbildung. Wenn aber die Unternehmen etwas wollen, was die Mehrzahl der jungen Menschen offenbar nicht mehr „vom Hocker reißt“, dann haben wir ein Problem.“ Die zentralen Akteure der Region seien gut beraten, gemeinsam für die Attraktivität der dualen Ausbildung zu werben. Sonst könne sich diese Diskrepanz zu einem Strukturproblem erster Kategorie auswachsen.

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