„Große Aufgaben brauchen eine starke Wirtschaft“

Wolfgang Clement (rechts) sprach auf Einladung der Unternehmerschaft Siegen-Wittgenstein im Haus der Siegerländer Wirtschaft in Siegen. Begrüßt wurde er von Dipl.-Ing. Jörg Dienenthal (links), dem Vorsitzenden der Unternehmerschaft.

Das Lob kam natürlich gut an bei den rund 200 Besuchern der diesjährigen Vortragsveranstaltung der Unternehmerschaft Siegen-Wittgenstein, die gestern im Haus der Siegerländer Wirtschaft stattfand. Wolfgang Clement, ehemaliger NRW-Ministerpräsident und Bundeswirtschaftsminister, sprach deutlich aus, was viele Landes- und Bundespolitikern heute offensichtlich kaum noch zur Kenntnis nehmen: „Das Siegerland hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einer wirtschaftlichen Wachstumsregion entwickelt. Gerade was die mittelständische Industrie angeht, ist Siegen-Wittgenstein inzwischen die Nummer 1 in Nordrhein-Westfalen und gehört zu den Top drei in Deutschland.“ Das sei eine enorme Leistung der Menschen und der Unternehmen im südlichsten Teil von NRW gewesen. „Ich kenne da noch andere Zeiten“, meinte Wolfgang Clement weiter.

„Große Aufgaben brauchen eine starke Wirtschaft“, so lautete das Thema des Abends. Wolfgang Clement, der in seiner Funktion  als Kuratoriumsvorsitzender der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft nach Siegen gekommen war, nutzte die Gelegenheit zu einer kritischen Auseinandersetzung mit der Politik der großen Koalition. „Wir stehen vor großen Herausforderungen. Dazu gehört beispielsweise die Flüchtlingskrise, die demografische Entwicklung in unserem Land, aber auch die Krise der Europäischen Union.“

Bei aller Kritik an der Art und Weise und an den Folgen ihrer Entscheidung, lobte Wolfgang Clement  doch den Mut der Kanzlerin, eine Million Flüchtlinge in einer schwierigen Situation aufzunehmen. Das sei ein besonderer humanitärer Akt gewesen. Allerdings stünden wir jetzt vor der Herausforderung, diese Menschen auch so schnell wie möglich in unsere Gesellschaft zu integrieren. Das gelinge am besten über den Arbeitsmarkt. Aber anstatt die bürokratischen Hemmnisse zu lösen, stehe man nach wie vor auf der Bremse. „Wir haben mit der Agenda 2010 versucht, alte verkrustete Strukturen aufzubrechen. Inzwischen machen die Sozialdemokraten alles wieder rückgängig. Das ist der falsche Weg, gerade zur Bewältigung der Flüchtlingskrise“, unterstrich Wolfgang Clement. Kritik übte der ehemalige Bundeswirtschafts- und –arbeits­minister auch an der Einführung des gesetzlichen Mindestlohnes. Diese Entscheidung verstoße gegen eine eherne Regel: Politik habe in der Lohnfindung nichts zu suchen.

In der Sozialen Marktwirtschaft gelte zudem das Prinzip, dass jeder einzelne zunächst für sich selber verantwortlich sei, bevor der Staat diese Aufgabe übernehme. Von dieser Regel verabschiede sich die aktuelle Politik ebenfalls.

Eine weitere Herausforderung sah Wolfgang Clement in der Bewältigung der demografischen Entwicklung in Deutschland. „Wir stehen hier ebenfalls vor gewaltigen Aufgaben. Deshalb brauchen wir beispielsweise ein Zuwanderungsgesetz, etwa so, wie es in Kanada praktiziert wird. Auch die vorhandenen Potenziale der Menschen in unserem Land gilt es weitaus besser zu nutzen als bisher, vor allem auf dem Gebiet der Bildung. Außerdem brauchen wir Programme zur beruflichen Wiedereingliederung von Frauen in die Arbeitswelt. Menschen, die im Rentenalter weiter arbeiten wollen, sollten auch die Möglichkeit dazu bekommen. Tun wir all dies nicht, wird unser Rentensystem über kurz oder lang kollabieren.“

„Wir müssen die Bremsen in unserem Land beseitigen und nicht neue hinzufügen“, davon zeigte sich Wolfgang Clement überzeugt. „Weltweit gibt es nach einer Studie 2.800 sogenannte Hidden Champions, 1.307 davon alleine in Deutschland, die meisten davon mittelständische Familienunternehmen. Das ist die eigentliche Kraft unseres Landes. Deshalb müssen wir den Mittelstand nachhaltig fördern.“

Europa stehe nach Meinung von Wolfgang Clement ebenfalls vor enormen Aufgaben. Viele Menschen hätten das Vertrauen in die europäische Politik und in die europäischen Institutionen verloren. Dieses Vertrauen müsse durch eine lösungsorientierte Politik wieder zurück gewonnen werden. „Dazu gehört beispielsweise eine europäische Energiepolitik, die wenig erfolgreiche nationale Alleingänge wie in Deutschland verhindert. Das, was in unserem Land in Sachen Energiewende passiert, ist umweltpolitisch wirkungslos und bereitet einer unvernünftigen Deindustriealisierung den Boden.“ Europa müsse sich wieder neu aufstellen. Das gelte auch für die Zusammenarbeit mit den USA.

„Politik ist das, was man sagt“, so das Credo von Wolfgang Clement, das auch heute nichts von seiner Bedeutung verloren habe. Nur leider höre man aus der Bundesregierung sehr wenig, was zur Lösung der aktuellen Krisen beitrage.

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