AGG hat die Gleichbehandlung nicht gefördert

Pressekonferenz zur Evaluation des AGG Quelle: Kathrin Harms

Vor genau zehn Jahren, am 14. August 2006, ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Kraft getreten. Mit diesem Gesetz hat die Bundesregierung einen Rechtsrahmen gesetzt, der „Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität verhindern und beseitigen soll“. Die Auswirkungen vor allem auf die Wirtschaft waren enorm. Nicht nur dass sich die Ausschreibungsverfahren von offenen Stellen grundlegend ändern mussten, auch die Bewerberinnen und Bewerber erhalten seitdem keine Rückmeldungen mehr, warum sie für eine bestimmte Position nicht in Betracht gekommen sind. Einige Großunternehmen gehen inzwischen sogar soweit, dass sie bei den Stellenausschreibungen auf das bislang übliche Bewerberfoto verzichten bzw. die Fotos in den Bewerbungen unkenntlich machen. Insgesamt hat das AGG zu erheblich mehr Aufwand in den Personalabteilungen der Unternehmen geführt. Und die Bewerberinnen und Bewerber erhalten keine Rückmeldungen mehr, die für weitere Bewerbungsverfahren sinnvoll wären.

Zudem hat sich sehr schnell nach dem Inkrafttreten des Gesetzes ein „Geschäftsmodell“ entwickelt, bei dem sich findige Menschen auf Stellen bewerben, für die sie eigentlich überhaupt nicht in Frage kämen, und nur darauf warten, dass die Unternehmen einen Fehler machen. Dann können sie nämlich auf Entschädigung bis zum Dreifachen des zu erwartenden Entgeltes verklagt werden. Für diese Vorgehensweise hat sich inzwischen ein fester Begriff eingebürgert. Man spricht vom sogenannten „AGG-Hopping“. Besonders erfolgreiche „Hopper“ verdienen auf diese Weise inzwischen sehr erfolgreich ihren Lebensunterhalt.

Zehn Jahre nach Einführung des Gesetzes kommt ein Expertengremium nun zu dem Ergebnis. dass das AGG reformiert werden müsse. Allerdings sehen die Reformvorschläge des „Büros für Recht und Wissenschaft“ in Berlin keine Entbürokratisierung oder Vereinfachung vor. Genau das Gegenteil ist der Fall. In dem von der Bundesregierung in Auftrag gegebenen Gutachten fordern die Experten u. a. ein Klagerecht für Verbände und die Antidiskiminierungsstelle selber. Demnach sollen auch Betriebsräte und Gewerkschaften die Möglichkeit zur Klage erhalten. Außerdem sollen weitere Bereiche in das Gesetz aufgenommen werden, beispielsweise dass niemand wegen seiner sozialen Stellung und seines Einkommens bei der Bewerbung um einen Arbeitsplatz oder eine Wohnung sowie als Kunde diskriminiert werden dürfe. Ebenso sollten Unternehmen dazu verpflichtet werden, Minderheiten stärker zu fördern.

„Wir wenden uns strikt gegen jede Diskriminierung. Das Gesetz hat die Gleichbehandlung nicht gefördert, dafür aber Kosten und Bürokratie vergrößert“, so die Stellungnahme des VdSM Verband der Siegerländer Metallindustriellen e.V. und der Unternehmerschaft Siegen-Wittgenstein. Gleichzeitig warnen die heimischen Arbeitgeberverbände vor einer Verschärfung des Gesetzes. Besonders kritisch bewerten sie die Überlegungen von Seiten der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, ein „Verbandsklagerecht“ einzuführen und die Machtbefugnisse von Antidiskriminierungsverbänden, Betriebsräten und Gewerkschaften auszuweiten. „Hier wird der Tatbestand des ‚stellvertretend Betroffenseins‘ kreiert, der die vertrauensvolle Zusammenarbeit der Betriebsparteien gefährdet. Wir brauchen gesellschaftspolitische Anreize und keine weiteren Zwangsmaßnahmen. Eine Politisierung in den Unternehmen ist absolut kontraproduktiv.“ Auch die geforderte Erweiterung der Kompetenzen der Antidiskriminierungsstelle des Bundes ist nach Ansicht der Verbände ein Beispiel für zunehmenden staatlichen Dirigismus und kostenintensive Bürokratie.

Schließlich seien die Empfehlungen auch Ausdruck eines grundlegenden Mißtrauens des Gesetzgebers gegenüber den Unternehmen, das in keiner Weise gerechtfertigt sei. „Gelebte Vielfalt und Toleranz gehören zur DNA der Unternehmen und lassen sich nicht gesetzlich verordnen, sondern müssen überzeugend vorgelebt werden. Ein diskriminierungsfreies Umfeld ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die etwas mit der inneren Haltung von Arbeitgebern zu tun hat. Gerade in den vielfach familiengeführten mittelständischen Unternehmen in Siegen-Wittgenstein ist das Betriebsklima häufig geprägt von einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Ohne dieses Klima wären unsere Unternehmen sicherlich nicht so erfolgreich.“

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